Resilienz ist die innere Stärke, aufzustehen, wenn mich das Leben zu Boden gestoßen hat. Es ist die innere Stimme, die mir nach der Niederlage zuflüstert: Das Leben geht weiter.
Mitten im Seminar erreicht mich der Anruf meines Mannes. „Es ist aus!“ Ich höre diesen Satz, aber er dringt nicht bis zu meinem Gehirn durch. Das kann nicht sein, das darf nicht sein. Wir hatten so lange gekämpft – und wofür?
Es ist der 30. März 2012. Im Norden Deutschlands leite ich ein Seminar mit dem Titel: „L(i)ebe Deine Berufung“. Mit 20 Teilnehmern machen wir uns auf die Suche nach Stärken, Ressourcen, Werten, Wünschen und dem roten Faden unseres Lebens. Und nach Resilienz, der Widerstandskraft, wenn alles anders läuft, als geplant.
Das Seminar ist ein Gewinn – für die Teilnehmer wie für mich. Mitten drin kommt der Anruf meines Mannes. Nach einer zwei tägigen Vereinssitzung des Unternehmens, bei dem wir beide angestellt sind, haben sich alle miteinander so fest gebissen, dass es nur noch eine Lösung gibt: Der Vorstand und wir als Geschäftsleitung verlassen das Unternehmen.
Schon viele Wochen schwelt ein Kampf zwischen der bisherigen Leiterschaft und uns „Neuen“. Mein Mann teilt mir lapidar mit: Wir bekommen einen Aufhebungsvertrag und können gehen. Ich höre meinen Mann am Telefon reden, verstehe aber nicht sofort den Sinn dahinter.
Die perfekte Berufung
Acht Monate zuvor sind wir von Hessen nach Baden-Württemberg gezogen. Nach viel Überlegen, Beten und Recherchieren, waren wir sicher – das wird unser neuer Platz. Eine herausfordernde Aufgabe in der Geschäfts- und Seminarleitung eines Werkes, das sich um Holocaustüberlebende Juden kümmert.
Wir spüren schnell, dass hier der Wind rauer weht. Obwohl wir uns bemühen, Ängste abzubauen und Vertrauen zu gewinnen, realisieren wir schnell– wir kommen nicht voran.
Jetzt ist unser schlimmster Alptraum Wirklichkeit geworden. Wir sind unseren Job los, müssen unsere Wohnung verlassen, und haben keine Ahnung, wie es weitergeht. Ich spüre, wie mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Von Resilienz keine Spur.
Scheitern verboten
Wir lernen schnell: Scheitern gehört in unserer Leistungsgesellschaft nicht dazu. Christliche Führungskräfte überschütten uns mit Häme und Verachtung und mit Sätzen wie: „Das sieht aber schlecht aus in Euren Lebensläufen!“
Diese Krise rüttelt an unseren Grundfesten.
An einem Morgen nehme ich meine Bibel zur Hand und stoße auf folgenden Vers im Buch Prediger: Darum iss dein Brot und trink deinen Wein und sei fröhlich dabei! So hat es Gott für die Menschen vorgesehen und so gefällt es ihm. Nimm das Leben als ein Fest: Trag immer frisch gewaschene Kleider und sprenge duftendes Öl auf dein Haar! Genieße jeden Tag mit dem Partner, den du liebst, solange das Leben dauert, das Gott dir unter der Sonne geschenkt hat, dieses vergängliche Leben. (Prediger 9)
Meine Würde nimmt mir keiner
Job weg, Wohnung weg, Würde weg – tatsächlich? Konnte man uns mit einem Schlag alles nehmen? Auch unsere Würde? In Artikel 1 unseres Grundgesetzes steht – „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ – Warum also fühlte ich mich würdelos?
Weil ich falsch
dachte? Der weise König Salomo rüttelte mich wach. Ja, Scheitern ist schlimm
und ja, es macht mir etwas aus, was andere über mich denken. Aber das ist nicht
das Ende
Würde, das ist der Wert, den ich habe, meine Daseinsberechtigung, einfach weil
ich bin, unabhängig von dem, was ich leiste.
Übergänge gestalten
In unserem „Übergangsleben“ wird mir bewußt, wie abhängig ich von meiner Leistung bin, wie sehr ich mich vergleiche. Und da wir umgeben waren von Leistungsträgern, die uns immer wieder auf´s Butterbrot schmierten: „Ihr habt es nicht gebracht!“ – zogen wir uns immer mehr von Menschen zurück.
Heute bin ich überzeugt, dieser Rückzug hat uns stark gemacht, unsere Resilienz erwachen lassen.
Plötzlich waren wir auf uns geworfen. Menschen hatten uns fallen gelassen und wir erwarteten nichts mehr von anderen. Dadurch wurde in uns beiden ein Raum frei, um genauer hinzuschauen.
Mein Leben ein Kopfstand
Diese Krise stellte unser Leben komplett auf den Kopf. Auch unsere Ehe und unser Familienleben ließ dieser Kopfstand nicht unberührt. Auch hier mussten unsere Werte auf den Prüfstand.
Wollten wir weiterhin Menschen in unserem Leben zulassen, die uns ständig übel wollten, uns mit Negativem nur runterzogen und sich niemals an unseren Erfolgen freuen konnten?
Als wir nichts mehr zu verlieren hatten, entschieden wir uns dazu, uns nur noch mit Menschen zu umgeben, die uns ermutigen, herausfordern und weiter bringen.
Was hat uns konkret geholfen, Resilienz zu entwickeln?
Aus dem Rat von König Salomo entwickelte ich mein ganz persönliches Programm, mir in Krisen Gutes zu tun.
- Ein leckeres Essen, gemeinsam mit meinem Mann gekocht und dazu ein brillanter Rotwein
- Mitten im stressigen Alltag abtauchen in der Therme
- Freunde treffen und spontan eine Gartenparty veranstalten
- Eine Dankbarkeits Challenge veranstalten
- Einer Freundin einen handgeschriebenen Brief schreiben und ihr sagen, was ich an ihr schätze
- Mich ins Sofa kuscheln und meine Lieblingsserie auf Netflix schauen
Nimm das Leben
als ein Fest – ich habe genau zwei Leben – und das zweite begann, als ich
merkte, dass ich nur eines habe.