Die Einstellung der meisten Menschen zu Kritik oder Feedback ist seltsam negativ. Jeder und jede weiß, dass Feedback wichtig ist und uns im Leben enorm weiter bringen kann. Aber wenn es soweit ist, gehen wir in Deckung oder ziehen uns zurück.
Keiner will bewertet oder gar kritisiert werden – aber alle bestehen auf ihr Recht, eine eigene Meinung zu haben und ihr eigenes Urteil zu allen möglichen Situationen und Menschen formulieren zu dürfen.
Feedback oder Kritik gut zu formulieren und dann auch selbst anzunehmen gehört immer noch zu den schwierigsten Dingen im beruflichen und privaten Kontext. Gut gemeinte Ratschläge, eine kritische Leistungsbewertung oder auch nur ein oberflächlicher Kommentar wie: „Ihre Präsentation war interessant…!“ lassen die zwischenmenschliche Temperatur schnell abkühlen.
Feedback ruft immer eine emotionale Reaktion hervor, auch wenn wir sie noch so sachlich einbringen.
So hat Thomas De Maizière, Präsident des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages, mit seiner Kritik an der Generation Z für Wirbel und Ärger gesorgt: „Es entsteht keine soziale Gesellschaft, wenn Menschen mit Mitte zwanzig drei, vier Tage pro Woche arbeiten, um gegen 22 Uhr bei Lieferando einen Champagner zu bestellen. Und der Lieferant in prekären Arbeitsverhältnissen radelt mit der Flasche im November durch den Regen, darf dann hochsteigen in den fünften Stock.“
Beim Thema Kritik gibt es unserer Meinung nach zwei große Denkfehler.
In jedem Meeting hören wir die Wortschöpfung „Konstruktive Kritik“. Diese Doppeldeutigkeit jedoch verwirrt unser Gehirn. Konstruktiv meint – nutzbringend und aufbauend; Kritik aber ist Tadel und Korrektur. Diese Sprachschöpfung legt unser Hirn im wahrsten Sinne des Wortes schachmatt.
Wir plädieren daher für eine Trennung in:
1. Kritik – die zuerst als Fakt aus Sicht des Absenders angesehen wird mit dem Ziel, dass der Empfänger Dinge verbessern kann.
2. Die konstruktive Umsetzung – das ist der Nutzen für den Empfänger. Wer es schafft, dass Kritik nicht am Selbstwert nagt und das Lebensfundament nicht ins Wanken gerät, kann Verbesserungsvorschläge gewinnbringend für sich umsetzen.
Der zweite Denkfehler liegt im Mythos der Sachlichkeit
In Meetings – vor allem im beruflichen Kontext – wollen wir Menschen unsere Gefühle im Griff haben. Daher sagen wir schnell zueinander: „Lass uns sachlich bleiben!“
In den meisten Fällen (das jedenfalls ist unsere Erfahrung in der Beratung) brechen sich unterdrückte Gefühle dann im privaten Raum Bahn. Dort, wo niemand hinschaut, außer der Partner oder die Kinder. => Beruflich Profi – privat Amateur?
Gewinnbringende Gespräche brauchen Gefühle. Erst durch die Thematisierung von Gefühlen kann ein Gespräch gelingen und löst auch beim Gegenüber Wohlwollen und Lösungsansätze aus.
Zurück zu Thomas De Maizière. Was in den meisten Medien zunächst wie ein sachlicher Appell an die Generation Z klingt, hört sich zwischen den Zeilen anders an. Hier macht ein Baby-Boomer seinem Ärger Luft. Wie kann es sein, dass Generation Z sich traut ein Leben zu leben, das ein Baby-Boomer nie gewagt hätte?
Die Frage ist doch aber, wie kann De Maizière eine konstruktive Handlungserweiterung bei der Generation Z auslösen? Mit diesem kritischen Apell bestimmt nicht.
Aussagen wie „Mit Mitte zwanzig drei, vier Tage die Woche zu Hause arbeiten, um gegen 22 Uhr bei Lieferando noch einen Champagner zu bestellen“, lassen eher in das Herz eines verärgerten Mannes blicken, der nicht versteht, dass eine ganze Generation Arbeit und Beruf heute anders definiert.
Der Trick beim Reden ist das Zuhören
Das Ziel eines Feedbackgesprächs sollte immer sein, beim Gegenüber langfristige Lernprozesse auszulösen. Das geschieht aber nur freiwillig und aus Überzeugung. Druck und Angst werden nie zum gewünschten Ergebnis führen. Wenn beide Gesprächspartner sich auf Augenhöhe begegnen und ein offenes Ohr füreinander haben, können Veränderungen ausgelöst werden. Wer in Feedback-Gesprächen „Du-Botschaften“ sendet, muss sich nicht wundern, wenn das Gegenüber in eine Verteidigungshaltung geht.
Umgekehrt funktioniert der alte Trick auch nicht mehr: Zunächst drei positive Dinge nennen und dann erst mit der richtigen Kritik um die Ecke kommen.
Erfolgreiche Menschen suchen das Feedback
Wer offen ist für gegenseitiges Feedback, erhält neue Erkenntnisse. Wer weiterkommen will im Leben darf anderen Menschen signalisieren, dass er für ihre Gedanken und Reaktionen empfänglich ist. Das sollte allerdings nicht die Masse an Menschen im Leben sein, die ihren Senf ungefragt dazugeben. Nicht jeder und jede muss und darf in unser Leben hineinsprechen. Uns ist es wichtig für unterschiedliche Lebensbereiche Menschen zu haben, die uns regelmäßig Feedback geben. Wer solche Menschen an seiner Seite hat, eröffnet sich neue Lernfelder.