Es könnte alles so schön sein: die Sonne scheint, die Ehe ist ein Stück Paradies auf dieser Erde, der erfüllende Beruf beschert uns täglich pures Glück.
Traumjob, Traumpartner, Traumfamilie.
Leider hat diese Idylle einen Haken – es ist und bleibt ein Traum. Das wahre Leben sieht anders aus. Von Glück oft keine Spur.
Die Sonne scheint zu heiß vom wolkenlosen Himmel und zeigt uns auf erschreckende Weise schon wieder an, dass das Wasser knapp werden könnte und die Ernte bei vielen Landwirten auf der Kippe steht.
Der Traumpartner entpuppt sich nach vielen Jahren Beziehung als Normalo mit Ecken und Kanten. Und die Arbeit ist ein 13 Stunden Job mit Mobbing, Stress und spürbaren körperlichen Symptomen.
Perfekt ist das Leben nur in der Theorie.
In den wenigsten Momenten hält es sich an mein Traum-Drehbuch.
Was das Leben zum Leben macht, sind die grossen und kleinen Brüche, Krisen, Verletzungen, Missverständnisse – Leben halt.
Die meisten Menschen versuchen diese Brüche und Scherben vor anderen Menschen zu verbergen. Krisen machen unsicher. Sie vor anderen auszubreiten noch viel mehr. Wie gehen andere mit meinen Scherben um?
Kintsugi – unperfekt und trotzdem schön
Es gibt eine japanische Kunst, aus Scherben etwas Wunderschönes zu machen. Kintsugi.
Dieses Kunsthandwerk füllt Risse in Schalen, Tellern und Tassen mit Gold auf. Die Brüche werden nicht kaschiert, sondern erst recht sichtbar gemacht.
So wird aus einem alten, zerbrochenen Teller ein neues Schmuckstück, das Schönheit ausstrahlt jenseits von Zerbruch.
Diese Kunst hat viel mit unserem Leben zu tun.
Als Christen wissen wir, dass im Moment der Wiedergeburt ein komplett neues Leben, eine neue Schöpfung entstanden ist (2.Korinther 5,17).
Braucht es dann noch ein kunstvolles Flicken dieser Neuschöpfung?
Tatsächlich ist nur unser Geist neu geworden. Unsere Seele aber – alte Gedankenmuster, Emotionen, Gefühle – bleiben oft noch länger in der Vergangenheit stecken, in Verletzungen, Streit, unbedachten Worten.
Die Seele braucht Zeit, um sich erneuern zu lassen durch den Geist.
Unser neuer Geist weiß, dass wir geliebt sind, heilig, vollkommen gemacht, Könige und Priester, Menschen mit göttlicher Autorität.
Aber die alten Gedanken halten uns im Zerbruch fest: „Weisst du noch? – Damals?“
Wir alle tragen diese Vergangenheit mit uns herum.
Und glauben Menschen nicht, wenn sie auf Bühnen und in social Media Kanälen ihr atemberaubendes Hochglanz Leben präsentieren.
Zeit für Veredelung
Jeder Mensch kennt Brüche. Und es wird Zeit, uns mit genau diesen zu zeigen.
Es wird Zeit aus der Deckung zu kommen und Wunden und Narben nicht als Makel, sondern als Veredelung unseres Lebens anzusehen. Und so Verantwortung für unsere Narben zu übernehmen.
Mehr denn je sind wir heute davon überzeugt, dass es Gott selbst ist, der aus unseren Zerbrüchen „goldene Narben“ machen kann. Ja, hin uns wieder schmerzen Narben, je nach Wetterumschwung.
In der Zeit, als wir beide noch im Angestelltenverhältnis arbeiteten, gab es den einen oder anderen schmerzhaften Riss in unserem Leben. Zum Zeitpunkt des Bruchs fühlte sich das nicht schön an, geschweige denn, dass wir wussten, was der Sinn dahinter sollte.
Damals spürten wir gerade im christlichen Kontext eine grosse Unsicherheit im Umgang mit Brüchen und Scheitern. Wenige Menschen hörten uns zu. Die meisten wollten schnell zum gewohnten „Erfolgs-Alltag“ übergehen. In der Theorie fand man Brüche durchaus menschlich. In der Praxis sah das anders aus.
Heute – mit etwas Abstand freuen wir uns, anderen diese „vergoldeten Narben“ zeigen zu können. Und staunen darüber, welchen Wert unsere Brüche für andere haben. Seine Verletzungen zu zeigen, ist in Wahrheit nicht Schwäche, sondern Stärke – und wirkt auch so!