Wir haben uns zum Kaffee verabredet. Ich finde keinen Parkplatz und komme zu spät. Am missbilligenden Blick erkenne ich ihren Unmut.
Vor sieben Jahren haben wir uns das letzte Mal gesehen. Sie hat alles, was man sich wünschen kann, einen wunderbaren Mann, tolle Kinder, ein eigenes Haus, Arbeit – aber es reicht nie. Vor sieben Jahren habe ich eine Grenze gezogen und ihr den weiteren Zutritt zu mir und meinem Leben verwehrt. Ihren Neid und ihre Bitterkeit wollte ich nicht mehr.
Nun hatte ich den Eindruck: Triff dich mit ihr, rede mit ihr. Unser Treffen beginnt mit einem missbilligenden Blick auf die Uhr und ihrem Ärger über mein Zuspätkommen und endet genau sieben Minuten später mit dem Satz: „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“
Veränderung ist mein zweiter Vorname
Sie zahlt ihren Kaffe, erhebt sich und geht. Neid und Bitterkeit verschwinden aus meinem Blickfeld. Ich muss mich erst einmal sammeln, zu mir kommen. Der Satz hat gesessen: „Du hast dich gar nicht verändert!“
In den letzten sieben Jahren bin ich dreimal umgezogen. Mit jedem Umzug trennte ich mich von althergebrachtem, musste loslassen. Ich sortierte mehr als nur Geschirr, Bücher und Bettwäsche. Mancher Umzug ging einher mit beruflichen und privaten Erschütterungen.
Trotz Veränderungen in meinem Leben höre ich immer öfter den Satz: „Du hast Dich gar nicht verändert“. Am Geburtstag, bei Treffen mit Menschen, die ich lange nicht gesehen habe. Manchmal gut gemeint, und dann wieder wütend hingeschleudert.
„An was machen wir Menschen eigentlich Veränderung fest?“, frage ich mich.
Veränderung im Herzen
Muss ich Falten im Gesicht haben und graue Haare, damit Menschen merken, dass ich mich verändere? Andererseits, helfen Botox und Schönheitsoperationen dabei, sich nicht zu verändern? In der Bibel finde ich den Satz: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an!“ (1.Samuel 16,7)
Kann es sein, dass Veränderung im Herzen beginnt, sich durch die Gedanken schleicht und in meinem Handeln sichtbar wird? Falten müssen kein Beweis für Veränderung sein. Graue Haare machen einen Menschen nicht automatisch weise. Und nicht jeder Schwabe ist mit 40 über Nacht klug geworden.
Wenn ich das Bibelwort richtig verstehe, ist Veränderung etwas, was unsichtbar abläuft. Ein Prozess, der mit menschlichen Sinnen oft gar nicht wahrgenommen wird.
Stillstand im Denken
Bei manchen Menschen habe ich den Eindruck, egal, ob wir uns vor 10, 5 oder einem Jahren getroffen haben, die Themen sind immer dieselben: Mein Haus, mein Urlaub, meine Krankheiten. Das Leben ist weiter gegangen, die Gedanken sind dieselben geblieben.
Wenn ich solchen Menschen versuche zu erklären, wie ich ticke, warum ich Dinge heute anders sehe, bekomme ich nicht selten die Antwort: „Ich verstehe dich nicht.“ Im Klartext – „Ich kann nicht so denken, wie du!“
In meiner Coaching Tätigkeit habe ich mit Unternehmern zu tun, die mehr vom Leben wollen, weiter kommen, neu denken, Dinge ausprobieren wollen, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt. Nicht selten sind sie sehr einsam.
Der Umgang mit Menschen, die seit jeher dasselbe denken, fällt ihnen schwer. Sie finden keinen gemeinsamen Nenner für Gespräche und Austausch. Die einen sind einsam, weil sie neu denken, die anderen bleiben einsam, weil sie immer dasselbe denken.
Anders fragen – neu denken
Design Thinking ist ein moderner Prozess in Unternehmen, in dem interdisziplinär und kreativ nach neuen Lösungen gesucht wird, die sich ausschließlich am Kunden orientieren. Bevor allerdings nach einer Lösung gesucht wird, wird eine gemeinsame Fragestellung entwickelt. Neues Denken beginnt mit neuen Fragen.
Wer immer
dieselbe Frage stellt, wird auch immer dieselbe Antwort erhalten.
Wann beginne ich neue Fragen zu stellen? Meiner Erfahrung nach wenn das Leben
Kopf steht, wenn Extremsituationen mich dazu zwingen. Und wenn ich das Leben ,mit
Abstand betrachte. Von oben. Aus der Vogelperspektive. Dort, wo andere Gesetze
gelten.
Will ich so
weitermachen, wie bisher? Das war vor sieben Jahre meine Frage, als Neid und
Bitterkeit von anderen Menschen mein Leben vernebelten. Ich wollte nicht.
Und erlebte, dass Menschen aus meinem Leben verschwanden. Ich musste mich neu
sortieren, neu fragen und aushalten, dass nun manches anders läuft.
Zu unserem heutigen 20. Hochzeitstag bekommen mein Mann und ich ein Kompliment über facebook: „Herzlichen Glückwunsch! Ihr seht heute sogar besser aus, als vor 20 Jahren. Ich finde, ihr strahlt heute viel mehr Stärke und Reife aus. Weiter so, Ihr Lieben!“
Herzlichen Glückwunsch – Ich habe mich verändert!